Das geschriebene Wort gilt – wann ist eine Auskunft verbindlich?

Das geschriebene Wort gilt – wann ist eine Auskunft verbindlich?

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen am 27.04.2016 in Handelsblatt Steuerboard als Blogbeitrag „Das geschriebene Wort gilt – wann ist eine Auskunft verbindlich?“.

Der brave Steuerbürger ist der Auffassung, dass er sich auf die Aussagen seines Finanzamtes verlassen kann. Überrascht erfährt er von seinem Steuerberater, dass er hierzu eine verbindliche Auskunft benötigt, die obendrein noch Geld kostet. Entschließt sich der Steuerpflichtige auf dringende Empfehlung seines Steuerberaters hierzu, sieht er ein Schriftstück, das sehr formal aufgebaut ist, die Bezeichnung „Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft“ enthält und darüber hinaus aus Laienperspektive recht umständlich wirkt. Dass es auch anders und wohl auch vernünftiger geht, zeigt ein Urteil des BFH (BFH vom 12.08.2015 – I R 45/14, DB 2016 S. 212).

Der Soldat

Im Streitfall hatte ein Zeitsoldat im November 2007 nach einem vorhergehenden Telefonat eine Anfrage an sein Finanzamt gerichtet. Er schilderte darin, dass er derzeit für die Bundeswehr in Belgien tätig sei. Er werde im April 2008 eine Stelle bei der NATO ISAF in Kabul, Afghanistan antreten und dafür direkt von der NATO ISAF besoldet werden. Er bat um Überprüfung des Status der Einkommensteuerpflichtigkeit bzw. Befreiung von der Einkommensteuerpflicht.

Das Finanzamt

Das Finanzamt antwortete ihm mit Schreiben vom Februar 2008, dass die Gehaltszahlungen nach dem Übereinkommen über den Status der Nordatlantik-Vertragsorganisation steuerfrei zu stellen seien. Hierbei spiele es keine Rolle, dass die Zahlungen aus Afghanistan erfolgen sollten. Man habe vorab die vorgesetzte Behörde angehört, die Mitteilung erfolge auch in Abstimmung mit dem (reinland-pfälzischen) Ministerium der Finanzen. Ab Ende März 2008 übte der Soldat seine Tätigkeit für die ISAF in Kabul aus. Später behandelte das Finanzamt die Einkünfte des Klägers jedoch als steuerpflichtig.

Der BFH

Der BFH jedoch hielt die Finanzverwaltung an ihrem Antwortschreiben fest. Es handele sich hierbei um eine verbindliche Auskunft, die Bindungswirkung entfalte.

Ob eine verbindliche Auskunft vorliegt, sei eine Rechtsfrage, die analog § 133 BGB aus Sicht des Empfängers zu beurteilen sei. Empfänger ist hier der Steuerpflichtige, es stellt sich also die Frage, wie eine Äußerung der Verwaltung aus seiner Sicht zu beurteilen ist. Dabei ist auf die dem Steuerpflichtigen bekannten Umstände abzustellen sowie Treu und Glauben zu berücksichtigen. Die Antwort erfolgte hier mit hinreichender Bestimmtheit. Es ergab sich bereits aus dem Antrag klar, welcher Sachverhalt gemeint war und welche Einkünfte betroffen sind. Neben der Bestimmtheit der Antwort sprach auch der Wortlaut des Antwortschreibens für eine verbindliche Aussage, er enthielt eine verbindliche Formulierung („ist ….. freizustellen“). Dies musste der steuerlich nicht beratene Empfänger so verstehen, dass das Finanzamt die Frage in gültiger, also verbindlicher Weise klären wollte. Hier wurde der Eindruck der Verbindlichkeit noch unterstrichen durch die Einbindung der vorgesetzten Behörde sowie des Ministeriums. Allerdings war dies für den BFH nicht der entscheidende Punkt.

Dieses Verständnis des Empfängerhorizontes durch einen steuerlich nicht beratenen Laien ist vernünftig. Der BFH spricht es nicht explizit aus, aber es stellt sich die Frage, welchen Sinn ein solches Schreiben aus Sicht eines Laien sonst haben sollte, als die Sache zu klären.

Diesem Verständnis als verbindlicher Auskunft stand nicht entgegen, dass der Kläger seine Entscheidung, nach Afghanistan zu gehen, nicht von der steuerlichen Behandlung abhängig gemacht hat. Es reicht insoweit aus, dass die Verwirklichung des Sachverhalts zeitlich nach der Erteilung der Auskunft erfolgt, eine Abhängigkeit ist für die Bindungswirkung nicht erforderlich. Dass der Antrag möglicherweise formelle Mängel aufwies, steht der Einordnung als verbindliche Auskunft gleichfalls nicht entgegen. Es hätte dem Finanzamt offen gestanden, auf die Behebung der formellen Mängel zu bestehen, aus diesem Grunde nur eine unverbindliche Auskunft zu geben oder die Antwort abzulehnen. Nachdem das Finanzamt aber eine Auskunft erteilt hat, die als verbindlich zu verstehen war, sind etwaige formelle Mängel überholt. Jedenfalls führen sie nicht zur Nichtigkeit der verbindlichen Auskunft.

Das Urteil mag mitgeprägt sein durch die konkreten Umstände. Jemanden mit der steuerlichen Auskunft, seine Bezahlung sei steuerfrei, nach Afghanistan ziehen zu lassen, um ihm hinterher das Gegenteil zu sagen, ist sicher ungeschickt. Möglicherweise gilt hier der modifizierte Grundsatz „good cases make good law“.

Festzuhalten bleibt, dass Anfragen von Laien, die erkennbar mit einer ernstgemeinten, also verbindlichen Antwort rechnen, auch durch eine solche beantwortet werden, es sei denn, es wird deutlich gemacht, dass die Antwort unverbindlich ist.

Diese Rechtsprechung greift naturgemäß nicht bei steuerlich beratenen Bürgern, denn dem Berater ist bewusst, dass eine verbindliche Auskunft nur nach einem formellen, nahezu ritualisierten Verfahren zu erwarten ist.

Das BMF

Das BMF hat diese vom BFH zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung bislang nicht im BStBl. veröffentlicht. Es bleibt zu hoffen, dass hier kein Nichtanwendungserlass erfolgt. Denn im Interesse der Bürgerfreundlichkeit sollte das Wort der Verwaltung gelten.

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag basiert auf dem Rechtsstand des Jahres 2016 und könnte daher nicht mehr aktuell sein. Bei Fragen zu der aktuellen Rechtslage freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Alexander Pupeter München

ALEXANDER PUPETER | RECHTSANWALT | STEUERBERATER

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