Neuer Realteilungserlass und Sachwertabfindung – Das BMF will es nicht glauben

Neuer Realteilungserlass und Sachwertabfindung – Das BMF will es nicht glauben

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen am 06.03.2017 in Handelsblatt Steuerboard als Blogbeitrag „Neuer Realteilungserlass und Sachwertabfindung – Das BMF will es nicht glauben“.

Zum Jahresende 2016 erhielt die Praxis einen neuen Realteilungserlass (BMF vom 20.12.2016, DB 2017 S. 97). Dieser ersetzt den alten Realteilungserlass aus dem Jahr 2006 (BMF vom 28.02.2006, DB 2006 S. 527). Was ist alles neu? Ein Textvergleich führt zur Enttäuschung. Es wurden nur sehr wenige Stellen geändert. Die einzig wirklich wichtige Änderung dürfte die Ergänzung zur Sachwertabfindung sein.

Realteilung und Sachwertabfindung

Eines der großen Probleme bei der Realteilung ist die Einordnung der Sachwertabfindung. Darunter wird der Fall verstanden, dass ein Mitunternehmer aus einer betrieblichen Personengesellschaft ausscheidet, Betriebsvermögen als Abfindung mitnimmt und weiterhin betrieblich nutzt, die Personengesellschaft selbst jedoch von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Typischer Fall: Ein Arzt, Anwalt oder Steuerberater scheidet aus einer fortbestehenden Sozietät aus und nimmt seine Patienten/Mandanten und ggf. seine Mitarbeiter mit.

Aus Sicht des Ausscheidenden spielt es keine Rolle, ob die übrigen Gesellschafter die Gesellschaft ebenfalls verlassen oder ob sie sie fortsetzen. Deshalb wird von vielen die Auffassung vertreten, auch ein solcher Vorgang sollte nach den Realteilungsregeln (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG) beurteilt werden. Die Finanzverwaltung hat dies u.a. in ihrem Realteilungserlass vom 28.02.2006 abgelehnt. Das Ausscheiden mit Sachwertabfindung bemesse sich ausschließlich nach § 6 Abs. 5 EStG. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass nach Realteilungsregeln die Übernahme von Verbindlichkeiten der Gesellschaft unschädlich ist, während dies nach § 6 Abs. 5 EStG zur teilweisen Steuerpflicht führt.

Grundsatzentscheidung des BFH

Der BFH hat mit Urteil vom 17.09.2015 (III R 49/13, DB 2016 S. 624; vgl. dazu auch Schacht, DB 2016 S. 794) entschieden, dass ein solches Ausscheiden mit Sachwertabfindung jedenfalls dann als Realteilung zu verstehen ist, wenn dem Ausscheidenden ein Teilbetrieb übertragen wird. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn der Ausscheidende eine Niederlassung leitete, die er unter eigenem Namen fortführt (so auch der Urteilsfall).

Diese Entscheidung des III. Senats wurde ausdrücklich mit dem IV.  sowie dem VIII. Senat abgestimmt. Inhaltlich begründete der III. Senat seine Auffassung im Wesentlichen mit systematischen Argumenten. Die Realteilungsvorschriften (§ 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG) knüpften an eine Regelung (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) an, die u.a. auf die Aufgabe eines Mitunternehmeranteiles abzielt. Auch das Ausscheiden aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft mit Sachwertabfindung sei die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils. Daneben ergebe sich die Einordnung der Sachwertabfindung als Realteilung aus der Gesetzesbegründung bei erstmaliger Kodifizierung der Realteilung im Jahr 1999. Im Übrigen entspräche dies auch dem Zweck des Rechtsinstituts Realteilung. Wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsvorgänge sollten steuerlich nicht belastet werden, soweit die Erfassung der stillen Reserven sichergestellt sei. Eine Mitunternehmerschaft könne nicht nur durch Auflösung, sondern auch durch Ausscheiden Einzelner umstrukturiert werden.

Der BFH konnte seine Entscheidung auf eine Sachwertabfindung mit Teilbetrieben beschränken, da ein solcher Fall dem Verfahren zugrunde lag und sich die anderen Senate soweit ersichtlich nur hierzu geäußert haben.

Teilweise Akzeptanz durch BMF

Auf dieses Urteil hin hat die Finanzverwaltung nunmehr im neuen Realteilungserlass vom 20.12.2016 ihre Auffassung zur Sachwertabfindung eingeschränkt. Grundsätzlich stellt eine Sachwertabfindung weiterhin keine Realteilung dar. Nur wenn ein oder mehrere Mitunternehmer unter Mitnahme jeweils eines Teilbetriebs aus der Mitunternehmerschaft ausscheiden, liegt auch dann eine begünstigte Realteilung vor, wenn die Mitunternehmerschaft von den verbleibenden Mitunternehmern fortgesetzt wird. Begründet wird diese Aussage ausschließlich durch den Verweis auf das Urteil vom 17.09.2015.

Dass die Finanzverwaltung angesichts der übereinstimmenden Aussagen der beteiligten Senate ihre bisherige Position räumt, ist vernünftig. Ein Nichtanwendungserlass mit dem Versuch, eine Rechtsprechungsänderung durchzusetzen, hätte keine Erfolgsaussichten gehabt.

Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern – Musste das offen bleiben?

Aus Sicht des Verfassers ist es allerdings nicht glücklich, dass die Finanzverwaltung bezüglich einer Sachwertabfindung, die nicht in Teilbetrieben besteht, bei ihrer alten Auffassung bleibt. Zwar hat der BFH sich hierzu nicht direkt geäußert. Insoweit kann man die Auffassung vertreten, die Frage sei noch offen. Die Begründung des BFH gilt allerdings für beide Fälle; sie knüpft nicht an das Vorliegen eines Teilbetriebs an. Es ist daher nahezu allgemeine Auffassung, dass auf Basis dieser Erwägungen das Ausscheiden mit Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern gleichfalls als Realteilung zu sehen ist. Dafür spricht auch, dass die Realteilungsvorschriften selbst ausdrücklich die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern wie von Teilbetrieben umfassen. Lediglich in den Missbrauchsvorschriften (Behaltensfrist etc.) differenzieren sie nach der Art des übertragenen Vermögens.

Es ist daher schwer verständlich, weshalb die Finanzverwaltung bezüglich der Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern an ihrer bisherigen Auffassung festhält. Die dahinter stehenden dogmatischen Überlegungen sind durch die BFH-Entscheidung überholt. Weiterhin enthalten die Realteilungsvorschriften mehr als hinreichende Missbrauchsvorschriften, die Steuergestaltungen in ein sehr enges Korsett zwängen. Es besteht keine Gefahr, dass stille Reserven der Besteuerung entgingen.

Mehr Mut!

Hier hätte man sich von der Verwaltung den Mut gewünscht, auf Basis des BFH-Urteils eine umfassende, praktikable und konsistente Regelung herbeizuführen. So wartet die Praxis weiterhin darauf, dass entsprechende Fälle zum BFH kommen und dann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit so entschieden werden, wie dies bereits bei der Sachwertabfindung mit einem Teilbetrieb erfolgt ist. Ein BFH-Richter (Levedag, GmbHR 2017 S. 113) hat als Fazit zum neuen Realteilungserlass festgestellt, dass die Realteilung ein Feld bleiben wird, in dem Vieles durchgeklagt werden muss. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag basiert auf dem Rechtsstand des Jahres 2017 und könnte daher nicht mehr aktuell sein. Bei Fragen zu der aktuellen Rechtslage freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Alexander Pupeter München

ALEXANDER PUPETER | RECHTSANWALT | STEUERBERATER

 

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