Rechtsprechungsänderung: Bad Leaver-Klausel einer virtuellen Optionsvereinbarung unwirksam

Happy,Young,Man,In,Formal,Wear,Dancing,With,Box,With

Rechtsprechungsänderung: Bad Leaver-Klausel einer virtuellen Optionsvereinbarung unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19. März 2025 für eine virtuelle Optionsvereinbarung entschieden, dass eine Bad Leaver-Klausel, die bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer (Eigenkündigung) zum sofortigen Verfall aller gevesteten virtuellen Optionsrechte führte, unwirksam ist. Gleiches gilt für ein für den Fall nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vereinbartes Verfall-Vesting, welches kürzere Vesting-Fristen vorsah als beim Erwerb der virtuellen Optionen.

Der nachfolgende Beitrag fasst den Sachverhalt sowie die Entscheidung des BAG zusammen, um anschließend die Auswirkungen des Urteils auf Optionsprogramme sowie weitere Formen der Mitarbeiterbeteiligung zu beleuchten.

Sachverhalt

Einem Arbeitnehmer wurden im Rahmen eines bestehenden Employee Stock Option Programs (ESOP) virtuelle Optionen eingeräumt.

Die Ausübbarkeit der virtuellen Optionen war zeitanteilig linear über vier Jahre gestaffelt (Vesting). In Zeiten, in denen der Arbeitnehmer ohne Gehalt freigestellt war, sollte das Vesting ausgesetzt werden.

Für bestimmte Sachverhalte wurde ein Verfall der virtuellen Optionen geregelt. So galt u.a. bei Kündigung durch den Arbeitnehmer (Eigenkündigung) ein Verfall aller gevesteten virtuellen Optionen. In allen anderen Fällen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sollten bereits gevestete virtuelle Optionen über einen Zeitraum von zwei Jahren vollständig verfallen.

Der Arbeitnehmer kündigte ca. ein Jahr nach Erwerb der virtuellen Optionen sein Arbeitsverhältnis, seine virtuellen Optionen waren zu diesem Zeitpunkt zu ca. 31 % gevestet. Entsprechend den vertraglichen Regelungen verfielen diese vollständig.

Nachdem der Arbeitgeber und Beklagte seine ESOP-Bedingungen nach Austritt des Arbeitnehmers änderte und auf die Klausel zum automatischen Verfall der virtuellen Optionsrechte für alle künftigen Anwendungsfälle verzichtete, machte der Arbeitnehmer nachträglich seine Ansprüche auf die virtuellen Optionen geltend.

Entscheidung des BAG

Das BAG hat festgestellt, dass die gevesteten virtuellen Optionen nicht aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen sind. Die entsprechenden Vertragsklauseln, wie sie zum Zeitpunkt des Austritts des Arbeitnehmers galten, wurden vom BAG als unwirksam beurteilt.

Die Urteilsbegründung ist noch nicht veröffentlicht, allerdings können der Pressemitteilung (hier abzurufen) bereits die wesentlichen Urteilserwägungen entnommen werden.

Hiernach stützt sich das Verdikt der Unwirksamkeit auf zwei Argumente:

  • Bei den gevesteten virtuellen Optionen handelt es sich um „erdiente“ Vergütung, die nicht mehr entzogen werden darf; und
  • Die Verfallklauseln stellen eine unzulässige Kündigungserschwerung

Entzug von bereits erdientem Lohn

Das BAG entschied

  • zum vollständigen Verfall der gevesteten virtuellen Optionen bei Eigenkündigung:
    Bei den gevesteten virtuellen Optionen handelt es sich um eine Vergütung für die vom Arbeitnehmer bereits erbrachte Arbeitsleistung. Eine einmal „erdiente“ Vergütung darf dem Arbeitnehmer nicht mehr entzogen werden, so dass der vollständige Verfall der gevesteten virtuellen Optionen den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und folglich unwirksam ist.
  • zum ratierlichen Verfall der gevesteten virtuellen Optionen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses:
    Diese Regelung lässt die Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer in der Vesting-Periode zum Erwerb der virtuellen Optionen aufgewandt hat, unberücksichtigt. Dies benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, so dass auch diese Klausel unwirksam ist. Dies gilt zumindest, wenn das Verfall-Vesting doppelt so schnell erfolgt wie das Vesting zum Erwerb der virtuellen Optionen.

Die Argumentation des BAG stellt eine vollständige Abkehr seiner bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, die seit 2008 bestand. Bislang stand im Vordergrund, dass gewährte Optionen aufgrund ihres spekulativen Charakters lediglich eine Gewinnchance darstellen. Diese Chance war bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht schützenswert, so dass Verfallklauseln aus arbeitsrechtlicher Perspektive in Optionssachverhalten zulässig waren. Diese Rechtsprechung hat das BAG nun ausdrücklich aufgegeben.

Zur unzulässigen Kündigungserschwerung

Die Verfallklauseln stellen nach Auffassung des BAG außerdem eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung für den Arbeitnehmer dar.

Das BAG hat aus dem Verbot des § 622 Abs. 6 BGB, für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine längere Frist zu vereinbaren als für die Kündigung durch den Arbeitgeber, den allgemeinen Grundsatz hergeleitet, es sei unzulässig, durch vertragliche Absprachen eine ungleiche Kündigungslage zum Nachteil einer der Parteien des Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Hierzu gehört insbesondere die Vereinbarung eines einseitigen Vermögensnachteils des Arbeitnehmers für den Fall einer von ihm erklärten Kündigung. Damit soll die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers in Bezug auf die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geschützt werden. Dieser Grundsatz schließt allerdings eine für den Arbeitnehmer ungünstige Reflexwirkung seiner Kündigung nicht aus. Entscheidend für die Annahme einer unzulässigen Kündigungserschwerung ist eine Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit (zur unzulässigen Kündigungserschwerung so BGH, Urteil vom 19.09.2005, II ZR 173/04, NJW 2005, 3641 (3643)).

Vorliegend hat das BAG eine unzulässige Kündigungserschwerung angenommen, da der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines ungewissen Ausübungsereignisses nicht hätte kündigen können, ohne eine mögliche Vermögenseinbuße zu erleiden.

Auswirkungen auf Optionsprogramme und andere Formen der Mitarbeiterbeteiligung

Auf virtuelle Optionsvereinbarungen ist das Urteil des BAG unmittelbar anwendbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das BAG zwar vorliegend nur mit der Verfallklausel aufgrund der Kündigung durch den Arbeitnehmer befasst hat. Nicht auszuschließen ist aber, dass die Wertungen des Gerichts auch auf andere Leaver-Fälle, z.B. Ausscheiden aufgrund dauernder Berufsunfähigkeit oder personenbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber, zu übertragen sind. Die ausstehende Urteilsbegründung des BAG könnte hier weitere Erkenntnisse liefern.

Für die Vertragspraxis empfiehlt sich jedenfalls eine ausführliche Aufzählung der unter die Verfallklauseln zu subsumierenden Sachverhaltsvarianten. So kann im Fall der Unwirksamkeit eines Klauselbestandteils (z.B. Verfall bei Eigenkündigung) die Klausel im Übrigen (z.B. Verfall bei außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber) aufrechterhalten werden. Andernfalls würde die gesamte Klausel im Rahmen der AGB-Prüfung als unwirksam zu qualifizieren sein.

Die vorliegende Entscheidung des BAG sowie deren etwaige Auswirkungen auf weitere Leaver-Fälle sind für alle künftigen Sachverhalte zu berücksichtigen.

Von dem Verdikt der Unwirksamkeit sind aber auch alle bereits bestehenden virtuellen Optionsprogramme betroffen; ein Vertrauensschutz auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung existiert nicht. Die Entscheidung, wie mit unwirksamen Klauseln in bestehenden Programmen zu verfahren ist, kann nur einzelfallabhängig getroffen werden. Eine pauschale Empfehlung ist daher an dieser Stelle nicht möglich. Insbesondere empfiehlt es sich nicht immer, „schlafende Hunde“ zu wecken.

Ein kleiner Lichtblick zum Abschluss: Das BAG-Urteil scheint anzudeuten, dass ein Verfall-Vesting als zulässig zu betrachten ist, wenn dessen Fristen analog zum Erwerbs-Vesting verlaufen. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein vierjähriges Erwerbs-Vesting vorgesehen wäre und nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis die bereits gevesteten Optionen innerhalb von vier Jahren wieder verfallen.

Für weitere Formen der Mitarbeiterbeteiligung gilt:

Es ist zu erwarten, dass in der Vergangenheit als zulässig bewertete Klauseln zum Verfall von echten Optionen nun auch abweichend beurteilt werden, da sich das BAG ausdrücklich von seiner damaligen Rechtsprechung distanziert hat.

Darüber hinaus könnte das Urteil auch Auswirkungen auf die Vertragspraxis bei Virtuellen Geschäftsanteilen (Phantom-Shares) und Exit-Bonusvereinbarungen haben.

Beide Sachverhalte haben nämlich gemein, dass jeweils die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von sog. Bindungs- bzw. Stichtagsklauseln zu prüfen ist. Dies sind Klauseln, die eine (versprochene) Leistung an einen Arbeitnehmer verfallen lassen, wenn dieser zu einem bestimmten Stichtag nicht mehr im Unternehmen tätig ist. Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Zulässigkeit von Verfallklausen (Leaver Scheme) in Phantom-Share- und Exit-Bonusvereinbarungen nach wie vor nicht abschließend geklärt. Bislang hat man sich in der Praxis und Literatur zumindest teilweise an der bisherigen Rechtsprechung zu Optionen orientiert, da die Interessenlagen vergleichbar sind (zuletzt Steinhauser/Werlitz, NZA 2025, 401). Verfechter der Unzulässigkeit solcher Verfallklauseln könnten allerdings durch das aktuelle BAG-Urteil Argumente für ihre Rechtsauffassung gewonnen haben.

Schließlich können Auswirkungen dieser neuen Rechtsprechung auf echte Kapitalbeteiligungen nicht pauschal ausgeschlossen werden. Allerdings sind diese aufgrund der nachfolgenden Erwägungen eher weniger zu erwarten.

Das BAG stützte seine Entscheidung – wie zuvor dargestellt – darauf, dass im konkreten Fall ein unangemessener Entzug einer Vergütung sowie eine unzulässige Kündigungserschwerung vorlag.

In der Regel wird eine dem Arbeitnehmer gewährte bzw. von diesem erworbene Kapitalbeteiligung aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Strukturierung und Veranlassung keine Vergütung im arbeitsrechtlichen Sinne darstellen.

Allerdings müssen sich Verfallklauseln im Rahmen von Eigenkapitalbeteiligungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) u.a. an dem Verbot der unzulässigen Kündigungsbeschränkung messen lassen (so BGH, Urteil vom 19.09.2005, II ZR 173/04, NJW 2005, 3641; Urteil vom 19.09.2005, II ZR 342/03, NJW 2005, 3644). Insofern besteht eine Gemeinsamkeit zum hier besprochenen BAG-Urteil. Aufgrund der bei Kapitalbeteiligungen im Vergleich zum vorliegenden Urteilsfall unterschiedlich gelagerten Sachverhalte kann die Wertung des BAG jedoch nicht uneingeschränkt auf diese übertragen werden, da Kapitalbeteiligungen – wie dargestellt – keine Vergütung im arbeitsrechtlichen Sinne darstellen und gesellschaftsrechtliche Würdigungen daher im Vordergrund stehen.

Somit sind Auswirkungen der aktuellen Rechtsprechung auf die Zulässigkeit von Rückerwerbs-Optionen zwar nicht vollständig auszuschließen, aber wohl weniger wahrscheinlich.

Es bleibt abzuwarten, ob die Veröffentlichung der Urteilsgründe durch das BAG neue Einsichten zulässt, insbesondere was die Ausstrahlungswirkung des Urteils auf andere Leaver-Sachverhalte und weitere Formen der Mitarbeiterbeteiligung betrifft. Sicher ist allerdings bereits jetzt: im Rahmen von Optionssachverhalten muss die Strukturierung von Verfallklauseln zurückhaltender erfolgen.

LORENA JOANA ECHARRI | RECHTSANWÄLTIN, DIPL.-VERWW. (FH)

DRUCKEN