Gewerblichkeit – Minimale Infektionsdosis: 3,1 Prozent oder 24.501 Euro

Gewerblichkeit – Minimale Infektionsdosis: 3,1 Prozent oder 24.501 Euro

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen am 20.02.2015 in Handelsblatt Steuerboard als Blogbeitrag „Gewerblichkeit – Minimale Infektionsdosis: 3,1 Prozent oder 24.501 Euro“.

Der grassierenden Grippewelle entsprechend hat sich auch der BFH mit Infektionen zu beschäftigen. Allerdings beschäftigt ihn nicht nur ein normaler grippaler Infekt, sondern auch das Infektionsleiden „Gewerblichkeit“. Hier gelang es dem BFH in drei Urteilen, die minimale Infektionsdosis zu bestimmen (alle Urteile vom 27.08.2014 – VIII R 6/12, DB 2015 S. 353; VIII R 16/11, DB0691357 und VIII R 41/11, DB0691358). Einer der Fälle betraf eine Karnevalsband und ihren Verkauf von CDs. Die Veröffentlichung am Tag vor Altweiberfasching war hervorragendes Timing des Gerichts.

Gewerbliche Infizierung einer freiberuflichen Personengesellschaft

Bekanntlich ist eine freiberufliche Personengesellschaft (z.B. Karnevalsband, Anwaltssozietät) ein empfindliches Gebilde. Wiederfahren ihr auch nur in geringem Ausmaße gewerbliche Umsätze, wird sie insgesamt zu einer gewerblichen Gesellschaft, auch ihre Haupttätigkeit gilt nicht mehr als freiberuflich. Die gewerblichen Umsätze infizieren die gesamte Gesellschaft. Symptome dieser Infektion sind insbesondere Gewerbesteuer und Bilanzierungspflicht.

Keine Infektion bei Geringfügigkeit – Absolute und relative Grenze

Diese sich aus § 15 Abs. 3 EStG ergebende Wirkung einer gewerblichen Tätigkeit gilt jedoch nicht, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von „äußerst geringem Ausmaß“ handelt. Durch diese restriktive Handhabung soll die Verfassungsmäßigkeit der Infektionsregelung insgesamt gegeben sein (BVerfG vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, DB 2008 S. 1243).

Der BFH hat nun entschieden, welchen Umfang die minimale Infektionsdosis hat: Nach seiner Auffassung sind gewerbliche Nettoumsätze, die 3 Prozent der gesamten Nettoumsätze nicht übersteigen, noch unschädlich. Erst wenn diese relative Grenze überschritten wird, werden die gewerblichen Umsätze, dann allerdings vollständig, schädlich.

Um größeren Personengesellschaften nicht zu erlauben, in (absolut gesehen) größerem Umfang gewerbliche Aktivitäten ohne Gewerbesteuer zu unternehmen, hat der BFH allerdings auch einen absoluten Höchstbetrag festgesetzt. Dieser liegt bei 24.500 Euro. Damit ist bei einem Gesamtnettoumsatz von über 816.666 Euro nicht mehr die 3-Prozent-Grenze, sondern der absolute Höchstbetrag entscheidend.

Die Herleitung des Betrags von 24.500 Euro überrascht. Der BFH geht von der Überlegung aus, dass die gewerbliche Infektion (auch) den Normzweck habe, Gewerbesteueraufkommen zu sichern. Liegt bei einer Personengesellschaft der Gewerbeertrag unter dem Freibetrag von 24.500 Euro, so fällt bereits keine Gewerbesteuer an (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG). Wenn also bereits der originär gewerbliche Umsatz unter dieser Schwelle bleibe, könne auch keine Gewerbesteuer verloren gehen, wenn auf die gewerbliche Infektion verzichtet wird. Dem BFH ist dabei der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn natürlich präsent. Er verweist zutreffend darauf, dass es dem Gesetzeszweck der Vereinfachung nicht gerecht würde, wenn hier eine Mindestgrenze für den gewerblichen Gewinn konstituiert würde. Denn dann sei wieder eine separate Teilgewinnermittlung für die gewerblichen Tätigkeiten erforderlich; der Gesetzgeber habe jedoch genau diese vermeiden wollen. Indem hier stattdessen auf eine Umsatzgrenze abgestellt wird, ist die Ermittlung tatsächlich wesentlich einfacher.

Überführung Gewinngrenze zu Umsatzgrenze

Allerdings hätte es nahegelegen, die Überführung der eigentlich dem Gesetzeszweck entsprechenden, aber nicht handhabbaren Gewinngrenze auf eine Umsatzgrenze nicht im Verhältnis 1:1, sondern mit einem typisierend angesetzten Faktor vorzunehmen. Denkbar wäre gewesen, typisierend von einer Umsatzrendite in Höhe von z.B. 40 Prozent auszugehen (40 Prozent mag überraschen, bei freiberuflicher Tätigkeit kann die Umsatzrendite jedoch relativ hoch liegen, da die eigenpersönliche Tätigkeit typischerweise weitgehend die Kosten ersetzt, die bei gewerblicher Tätigkeit für die Leistungen der Arbeitnehmer anfallen). Dann hätte die Umsatzgrenze bei 61.250 Euro gelegen Das wäre natürlich eine typisierende Regel gewesen. Da der BFH bei der relativen Grenze von 3 Prozent vor einer Typisierung nicht zurückgeschreckt hat, wäre dies wohl auch bei der absoluten Obergrenze vertretbar gewesen.

Klare Vorgaben: Erleichterung für die Praxis

Jedenfalls ist es sehr zu begrüßen, dass der BFH hier mutig entschieden und klare Grenzen gezogen hat. Diese sind in der Praxis wesentlich handhabbarer als Formeln wie „äußerst geringem Ausmaß“. Dass der Bereich einer Regelung bedurfte, zeigen die entschiedenen Fälle: Neben der bereits zitierten Karnevalsband mit ihrem Verkauf von T-Shirts und CDs war eine Werbeagentur, die nebenher Druckaufträge gegen Provision vermittelte, auffällig geworden sowie eine Rechtsanwaltssozietät, bei der ein angestellter Anwalt eigenständig als vom Gericht bestellter Insolvenzverwalter tätig war. Im wirklichen Leben wird es wohl bei vielen freiberuflichen Personengesellschaften derartige Randtätigkeiten geben, die isoliert gesehen gewerblich sind.

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag basiert auf dem Rechtsstand des Jahres 2015 und könnte daher nicht mehr aktuell sein. Bei Fragen zu der aktuellen Rechtslage freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Alexander Pupeter München

ALEXANDER PUPETER | RECHTSANWALT | STEUERBERATER

 

DRUCKEN