Spaltung: 20 Prozent sind nicht 10 Prozent, sagt der BFH!

Teilverkauf nach Spaltung

Spaltung: 20 Prozent sind nicht 10 Prozent, sagt der BFH!

BFH bestätigt entgegen Finanzverwaltung, dass ein Teilverkauf nach Spaltung erst ab einer Grenze von 20 Prozent schädlich ist, § 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG („Nachspaltungsveräußerungssperre“)

Die Aufspaltung oder Abspaltung einer GmbH oder AG (§ 123 UmwG) soll normalerweise steuerneutral bleiben, also „zu Buchwerten“ erfolgen. Wenn bestimmte Vermögensteile (Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile, 100%-Beteiligungen) übertragen werden, ist das auch grundsätzlich möglich.

Verkauf nach Spaltung?

Der Gesetzgeber hat allerdings folgendes Risiko gesehen: Die A-GmbH spaltet einen Teilbetrieb auf ihre Schwestergesellschaft, die B-GmbH ab. Anschließend verkauft die gemeinsame Muttergesellschaft die B-GmbH, weitgehend steuerfrei. Hätte die A-GmbH selbst den Teilbetrieb verkauft, wäre das bei ihr normal steuerpflichtig gewesen. Das soll jedenfalls in größerem Umfange nicht möglich sein. Deshalb hat der Gesetzgeber die Regel aufgenommen, dass (vereinfacht) die Spaltung auf Ebene der übertragenden Gesellschaft (A-GmbH) nicht steuerneutral bleibt, wenn innerhalb von fünf Jahren Anteile an der A-GmbH und/oder B-GmbH verkauft werden, die insgesamt mehr als 20 Prozent des Wertes vor der Spaltung ausmachen.

Diese sog. „Nachspaltungsveräußerungssperre“ (§ 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG) ist in der praktischen Anwendung schon kompliziert genug. Ein weiteres Problem ergab sich aus ihrem mehrdeutigen Wortlaut: Danach ist eine Buchwertübertragung nicht möglich, „…. wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Davon ist auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren […] Anteile einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 Prozent der […] Anteile ausmachen, veräußert werden.“

Das wurde überwiegend so verstanden, dass nur unter den genannten Bedingungen (20 Prozent, fünf Jahre) eine schädliche Veräußerung vorliegt. Die Finanzverwaltung hat hingegen zumindest seit 2014 die Regel so verstanden, dass eine schädliche Veräußerung daneben auch vorliegen kann, wenn diese Kriterien zwar nicht getroffen werden, also wenn beispielsweise weniger als 20 Prozent übertragen werden, aber die Spaltung mit dem Ziel der Vorbereitung einer zeitnahen Veräußerung erfolgte (FinBeh HH v. 13.04.2015, DStR 2015, 1871; FinMin Brandenburg v. 16.7.2014, DStR 2014, 2180). In der Fachliteratur hat diese Auffassung zwar einige gewichtige Befürworter (z. B. Schießl in Widmann/Mayer, UmwR, § 15 UmwStG Rz. 294 (März 2016)), aber nicht die Mehrheit gefunden; selbst verwaltungsnahe Autoren konnten sich ihr nicht anschließen (z. B. Dötsch/Stimpel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock; KStG, § 15 UmwStG Tz. 277, (Nov. 2019)).

Bundesfinanzhof entscheidet

Der BFH hat hier klar Stellung bezogen und entschieden, dass eine Veräußerung unterhalb der Schwelle von 20% unschädlich ist, selbst wenn sie bereits bei der Spaltung beabsichtigt gewesen sein sollte (Urteil v. 11.08.2021, I R 39/18). Gleiches gilt auch für eine Veräußerung nach Ablauf der 5Jahres-Frist. Der Gesetzeswortlaut gibt es nicht her, neben den ausdrücklich genannten Kriterien noch eine allgemeine Veräußerungsabsicht als schädlich anzusehen.

Das FG Hamburg (Urteil v. 18.09.2018, 6 K 77/16, EFG 2019, 140) hatte dies in der ersten Instanz noch anders gesehen; in einem anderen Verfahren hatte das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 31.05.2018, 9 K 9143/16, EFG 2018, 1681) allerdings auch schon so wie jetzt der BFH entschieden. Der BFH hatte seine Auffassung vor längerer Zeit bereits angedeutet, ohne damals abschließend entschieden zu haben (Urteil v. 03.08.2005, I R 62/04, BStBl II 2006, 391).

Bewertung

Für die Praxis ist dieses Urteil sehr hilfreich. Die Unsicherheit, die durch die Verwaltungsauffassung im Zusammenhang mit Spaltungen entstanden ist, war kontraproduktiv auch für „normale“, nicht steuergetriebene Spaltungen. Denn im wirklichen Leben gibt es nicht nur die eindeutigen Fälle, in denen eine Veräußerung kurz nach einer Spaltung bereits feststeht. Häufiger sind vielmehr die Fälle, in denen eine von mehreren Handlungsalternativen nach einer Spaltung eine Veräußerung sein kann. Ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen dann bereits von einer schädlichen Absicht auszugehen gewesen wäre, war in der Praxis nicht vorhersehbar.

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO)?

Wenn es um solche „Gestaltungen“ geht, stellt sich immer auch die Frage, ob und wie § 42 AO, „Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten“ eine Rolle spielt. Das ist nach diesem Urteil noch nicht abschließend geklärt. Zwar hat der BFH dem im Urteilsfall eine klare Absage erteilt. Der Gesetzgeber hat mit § 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG das Feld „gesichtet“ und entschieden, was dort geht und was nicht mehr geht. Diese Entscheidung kann nicht durch Anwendung des § 42 AO unterlaufen werden.

Allerdings galt im Streitjahr noch eine ältere Fassung des § 42 AO, dieser ist ab dem Jahr 2008 verschärft worden. Inzwischen ist geregelt, dass § 42 AO gesperrt ist, wenn der Tatbestand einer speziellen Missbrauchsvermeidungsnorm erfüllt ist. Soweit dies (wie hier) nicht der Fall ist, bleibt § 42 AO grundsätzlich anwendbar. Allerdings erfordert er (immer noch) eine „unangemessene rechtliche Gestaltung“. Und somit stellt sich weiterhin die Frage, ob eine Gestaltung unangemessen sein kann, wenn der Gesetzgeber in diesem Bereich „Gut“ und „Böse“ unterschieden hat und die Vorgehensweise danach zu den „guten“ gehört.

Ausblick

Gegenwärtig bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung das Urteil des BFH allgemein akzeptiert, also im Bundessteuerblatt veröffentlicht.

Und dann bleibt immer noch die Frage, in welchem Umfang die Verwaltung künftig, quasi als Ersatz, auf § 42 AO zurückgreifen wird.

Alexander Pupeter München

ALEXANDER PUPETER | RECHTSANWALT | STEUERBERATER

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