Grenzen im Netz

Grenzen im Netz

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen am 20.03.2013 in Handelsblatt Steuerboard als BlogbeitragGrenzen im Netz“.

Die Transparenz des Internets endet an der Landesgrenze. Dieser Befund lässt sich jedenfalls im Steuerrecht treffen. Ein interessantes Beispiel hierfür ist eine kürzlich vom Niedersächsischen FG entschiedene Klage gegen ein Sammelauskunftsersuchen.

Das Auskunftsersuchen betraf eine Internetplattform, über die verschiedene Anbieter aus Deutschland Waren verkauften. Das Finanzamt verlangte von einer deutschen Gesellschaft Angaben darüber, welche Nutzer mit Wohn- oder Geschäftssitz in Niedersachsen im streitigen Zeitraum 2007–2009 für mehr als 17.500 € pro Jahr Verkäufe über diese Plattform getätigt hatten. Zu den einzelnen Nutzern wurden u. a. Name, Vorname und Geburtsdatum abgefragt, bei Gesellschaften zusätzlich Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, darüber hinaus Telefon- und E-Mail-Adressen, Bankverbindungen sowie Kreditkartennummern und Einzelaufstellungen der Verkäufe. Das Finanzamt begründete das Verlangen damit, es sei festgestellt worden, Nutzer von Internetplattformen, auf denen Wirtschaftsgüter unter Pseudonym verkauft werden könnten, würden die Verkäufe nicht immer ordnungsgemäß steuerlich deklarieren.

Die deutsche Gesellschaft, an die sich das Finanzamt wandte, war Inhaberin der Domain, unter der die entsprechende Website betrieben wurde. Die Plattform wurde von einer in Luxemburg ansässigen S.a.r.l. betrieben. Diese S.a.r.l. war eine Schwestergesellschaft der deutschen Gesellschaft. Beide wurden von einer ebenfalls in Luxemburg ansässigen weiteren S.a.r.l. gehalten. Die Server befanden sich bei der ausländischen Schwestergesellschaft. Die deutsche Gesellschaft erbrachte einzelne Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Website, bspw. Supportleistungen gegenüber Händlern und Kunden.

Das Niedersächsische FG erklärte das Sammelauskunftsersuchen für rechtswidrig (Urteil vom 23. 2. 2012 – 5 K 397/10, DB0469481). Wenn sich ein Auskunftsersuchen nicht an den Stpfl., sondern an einen Dritten wendet, sind Auskunftspflichtige, soweit diese nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, gehalten, zur Erteilung der Auskunft Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden heranzuziehen, die ihnen zur Verfügung stehen (§ 93 Abs. 3 AO). Zur Verfügung stehen jedoch nur solche Unterlagen, die sich in der Verfügungsmacht des Auskunftspflichtigen befinden oder hinsichtlich derer er einen Auskunftsanspruch hat. Bei elektronisch gespeicherten personenbezogenen Daten erfordert dies, dass der um Auskunft Ersuchte entweder über die Speichermedien tatsächlich verfügen kann oder einen rechtlichen Anspruch auf Herausgabe gegen den Verfügungsberechtigten hat.

Nach diesen Grundsätzen war das Auskunftsersuchen rechtswidrig, weil die Erteilung der Auskunft als nicht möglich angesehen wurde. Die deutsche Gesellschaft hatte auf den Server, auf dem die Daten vorhanden waren, keinen tatsächlichen Zugriff; sie verfügte weder über Administratorenrechte noch über Einzelberechtigungen zum Zugriff auf die elektronisch gespeicherten Daten. Auch hatte sie gegen ihre Schwestergesellschaft keinen rechtlichen Anspruch auf Zugriff oder Übermittlung dieser Daten. Über den Einzelfall hinaus relevant ist die Feststellung des Gerichts, dass die gesellschaftsrechtliche Verbindung zur Schwestergesellschaft einen solchen Anspruch nicht begründet. Das Gericht ging noch weiter und entschied, dass auch die Verbindung über die gemeinsame Konzernzugehörigkeit keine tatsächliche Einflussmöglichkeit eröffne, die entsprechenden Informationen zu beschaffen. Eine hiervon abweichende Tatsachenfeststellung hätte im Einzelfall getroffen werden müssen. Selbst der Umstand, dass die deutsche Gesellschaft zuvor bereits in sieben Fällen Einzelauskunftsersuchen beantwortet hatte, wurde nicht als Indiz für eine allgemeine Zugriffsmöglichkeit gewertet.

Die Revision gegen dieses Urteil ist beim BFH (II R 15/12) anhängig. Eine entscheidende Frage ist, ob der BFH innerhalb eines Konzerns von einer Vermutung ausgeht, dass sich Konzerngesellschaften grenzüberschreitend wechselseitig helfen, derartigen Auskunftsverpflichtungen in einem Land nachzukommen. Letztlich könnten durch eine solche Argumentation die Grenzen nationaler Souveränität durchbrochen werden. Es bleibt spannend abzuwarten, wie der BFH den Konflikt zwischen territorial begrenzten staatlichen Befugnissen, der grenzenlosen Weite des Internets, der getrennten Rechtsfähigkeit juristischer Personen und der tatsächlichen Verbindung verschiedener Gesellschaften in einem Konzern löst.

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag basiert auf dem Rechtsstand des Jahres 2013 und könnte daher nicht mehr aktuell sein. Bei Fragen zu der aktuellen Rechtslage freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Alexander Pupeter München

ALEXANDER PUPETER | RECHTSANWALT | STEUERBERATER

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